Liebe Gemeinde,

aus dem Predigttext, den wir als Evangelium gehört haben, lese ich noch einmal 5 Verse:
Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner.
Bleibt in mir und ich in euch.
Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht an mir bleibt.
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Amen

Liebe Gemeinde,

Schnitt. Da purzelt sie zur Erde. Die abgeschnittene Weinrebe. Eine, die keine Blüten hat, aus denen Beeren werden können. Abgeschnitten vom Weinstock.
Abgeschnitten können wir uns auch als Menschen fühlen – im übertragenen Sinne:
von Menschen, die uns wichtig sind. Von Gruppen, zu denen wir gehören, von Lebensquellen.
Viele von uns haben das in den vergangenen Wochen durchlebt: abgeschnitten von der Schulklasse, von den Enkeln, vom normalen Arbeitsleben, von den Angehörigen, von der Gemeinschaft in der Kirchgemeinde…
Vielen ist auf neue Weise deutlich geworden, wie wertvoll ein echter Kontakt ist:
sich in die Augen zu sehen, das Lächeln wahrnehmen oder die gerunzelte Stirn, das Nicken oder Kopfschütteln, einen Händedruck, eine Umarmung.
Selbst wenn wir uns auf der Straße treffen oder beim Penny, bleiben wir momentan auf Abstand. Es ist dann zwar ein direkter, aber doch ein eingeschränkter, unkörperlicher Kontakt. Auf drastische Weise lernen wir in diesen Wochen die wirkliche und körperliche Gemeinschaft neu zu schätzen.

Schauen wir 2000 Jahre zurück: Nach Ostern hatten die Jünger eine große Lernerfahrung zu bewältigen. Mehr als zwei Jahre lang waren sie gemeinsam mit Jesus durch’s Land gezogen, eine gut miteinander vertraute Truppe. Nun gingen sie kaum mehr aus dem Haus, weil sie als Anhänger des hingerichteten Galiläers von der Umgebung misstrauisch beäugt wurden. Sie mussten lernen, auch ohne ständige Gemeinschaft innerlich gut beieinander zu bleiben. Und bei Jesus.
„Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“, sagt Jesus.
Er verwendet hier ein Bild aus dem Weinanbau, das seinen Leuten sehr vertraut war. Weinstöcke wuchsen an vielen Stellen in Israel, da, wo genügend Wasser vorhanden war.
„Bleibt bei mir“ sagt Jesus, – wie die Reben am Stock.
Eine klare Ansage für die Seinen. Schon um ihrer Gemeinschaft willen. Erst recht um der Sache Jesu willen.

Liebe Gemeinde,

manche von Ihnen haben Weinstöcke zu Hause und kennen sich mit der Pflege besser aus als ich. Zum Beispiel mit der im Text beschriebenen Rebentrennung. Ich habe mir beschreiben lassen, wie aus der Bog-Rebe die jeweils neuen Triebe wachsen. Die, die keine Blüten tragen, werden abgeknipst. Man kann die Stöcke auch im Juni nochmal durchgehen. Dann sieht man schon gut, welche Reben erbsengroße Träubchen tragen und welche nicht. Die ohne Früchte werden abgeschnitten und kompostiert. Kranke Triebe werden oft auch verbrannt. Die anderen Reben aber bleiben weiterhin mit dem Weinstock verbunden. Und mit den Lebenskräften, die er sich über die Wurzeln holt: mit Nährstoffen und Mineralien aus der Erde.

Ein einleuchtendes Bild.
Jesus legt seinen Leuten ans Herz: bleibt am Weinstock.
Bleibt an den Lebenskräften dran, die euch nähren, wachsen und reifen lassen. Das meint Jesus weniger auf die physische und psychische Existenz bezogen (also aufs Essen und Trinken usw.).
Hier geht es um geistliche Nahrung für Jesu Leute – die zunächst Nazarener, später Christen genannt wurden. Zu denen auch wir uns zählen.
Jesus deutet das Bild selbst: „Ihr werdet gute Frucht bringen, wenn ihr an mir bleibt und meine Worte in euch bleiben.“
An Jesus dran bleiben wie Weinreben? – Wirklich körperlich hat das Jesus nicht gemeint. Nur wenige körperliche Berührungen mit dem Auferstandenen sind überliefert.
„Bleibt an mir/in mir“, meint hier eher: Tragt im Herzen weiter, was ihr mit mir erlebt und von mir gelernt habt. Baut es in euer eigenes Leben ein. Erzählt davon.

Normalerweise würden wir heute Konfirmation feiern. Und den Konfis ans Herz legen: Bleibt an Jesus dran. Er ist eine Kraftquelle für’s ganze Leben! – Vielleicht kennen Sie einen Jugendlichen, der oder die heute konfirmiert worden wäre? Rufen Sie doch mal an in der nächsten Woche, sagen, dass Sie an ihn oder sie denken. Und erzählen Sie doch etwas davon, was Ihnen Jesus in Ihrem Leben bedeutet hat. Warum Sie dran geblieben sind an ihm, an seiner Sache.

Dran bleiben an Jesus, auch in Corona-Zeiten.
Lebenskraft schöpfen durch Jesus – so unterschiedlich wir sind, tun wir das auf sehr verschiedene Weise. Auf 5 Möglichkeiten möchte ich eingehen: auf Wort + Musik, auf Glaube, Liebe und Hoffnung…

Jesu Worte: Ja, Gottesdienste sind wieder möglich, aber auch zu Hause können Sie in der Bibel lesen oder im Losungsheft, und auf vielen Kanälen medial Gottesdienst feiern – bleibt dran!

Musizierte Verkündigung: zur Zeit trifft sich keine Kantorei und kein Kammerchor, aber vieles wird fröhlich experimentiert von Singen auf dem Balkon bis zur Übertragung von virtuellen Chorstunden – bleibt dran!

Im Gottvertrauen Jesu bleiben – das trägt im Leben wie im Sterben. Sich ins Gespräch mit Gott begeben, beten, möglichst täglich und regelmäßig – bleibt dran.

In der Liebe Jesu bleiben, in der engagierten Nächstenliebe – wen haben Sie sich für eine Hilfeleistung oder regelmäßige Telefonate ausgewählt? Hier in der Kirche liegen auch Blätter der sächsischen Diakonie mit Spendenmöglichkeiten für Corona-Hilfen aus. – Auf welchem Wege auch immer – bleibt dran.

In der Hoffnung Jesu bleiben. „Ich bin der wahre Weinstock“, sagt Jesus.
Diesen Satz lese ich vor allem als Zuspruch: Wenn ihr dran bleibt…, werdet ihr Früchte tragen. Wie fruchtbare Reben. Andere werden euch anmerken, dass der Weinstock euch hält und dass die Sache Jesu euch belebt und gut tut.

Amen